Der Sicherungskasten

 

zwischen Gleisen und Ruinen…

 

zwischen Gleisen und Ruinen, auf nach Bitumen riechendem, wahrscheinlich kontaminiertem Boden. Irgendwo im Nirgendwo bei Karlshorst (Berlin).

Knister, knister, bäng, boom, bäng! Erschrocken und verwundert starren wir auf den Kasten, der vor uns steht. Unmöglich konnte das Geräusch diesem Schrotthaufen entfleucht sein. Nein! Das laute Knallen und Knistern, das sich nach Silvesterböllern und nassem Strom anhört, kommt von den Bahngleisen direkt hinter uns. Sonja und ich beschleunigen unser Spaziertempo und jagen rasenden Rennschrittes weiter über das wunderlich kahle und verlassene Gelände. Wir können die Geräusche nicht orten, und wir sehen nichts. Keine funkenden Strommasten, keine brennenden Oberleitungen — puh! Die Geräusche aber bleiben nah und unheilvoll. Hin und wieder begegnen uns ein paar gassigehende Hundemenschen, die zwar nicht gerade fröhlich dreinblicken, aber ebenso wenig angstgetrieben wirken aufgrund irgendwelcher Stromleitungen, die zu explodieren drohen. Gott sei Dank erreichen wir unversehrt 20 Minuten später mein Auto, das zum Glück unabgeschleppt noch an derselben Stelle parkt, wo wir es verlassen hatten. Schnell weg hier! Zurück in die nicht weniger wunderliche und verrückte Innenstadt Berlins. Aber nicht für lange… Bevor nämlich bei mir die Sicherungen durchbrennen, sing ich:

“‘Ich brauch Tapetenwechsel’, sprach die Birke, und macht sich in der Dämmerung auf den Weg. Ich brauche frischen Wind um meine Krone. Ich will nicht mehr in Reih und Glied…”

Hildegard Knef

Annika Pinkvoß