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Lang’ soll SIE leben - 13x hoch

Die Zeit ist falsch. Die Hälfte der Weltbevölkerung lebt gegen ihren natürlichen Rhythmus.  

Warum ist der Oktober nicht der achte Monat, der September der siebte und der Dezember der zehnte Monat im Kalender? Was für ein Durcheinander! Macht unsere Jahreseinteilung überhaupt Sinn?

Unsere Zeitrechnung orientiert sich an der Sonne. 365 Tage braucht die Erde, um die Sonne zu umkreisen. Teilt man diese Tage in Einheiten, so erhalten wir grob gerechnet zwölf Monate. In der europäischen Mythologie wird die Sonne dem männlichen Geschlecht zugeordnet. Schon die alten Sumerer und Chinesen haben den Himmel in zwölf Sternbilder aufgeteilt. Seit der Antike existieren für die Römer und Griechen zwölf Gottheiten und im Christentum ist von den zwölf Jüngern Jesu die Rede. Die Zwölf wiederum hängt eng mit den Zahlen Drei und Vier zusammen. Die 3 repräsentiert das Göttliche und gilt als männliche Zahl, die 4 hingegen wird dem Weiblichen zugeschrieben und steht für Ordnung und Gleichgewicht. Aufgrund dieser Kombination werden die Sieben sowie die Zwölf seit Jahrtausenden als Zahlen erachtet, die Vollkommenheit symbolisieren.

3+4=7, 3x4=12. Unser Kalender richtet sich also nach der Sonne und somit automatisch nach dem männlichen Prinzip.

Der Mond wird seit jeher dem Weiblichen zugeschrieben. Der Mond-Zyklus beläuft sich auf 28 Tage so wie der Menstruations-Zyklus der Frau. Kürzt man alle zwölf Monate unseres Jahres auf 28 Tage, bleiben genau 28 Tage übrig – wir hätten einen 13. Monat.

Die Dreizehn allerdings ist allgemein als Unglückszahl bekannt. Der Aberglaube geht sogar so weit, dass in manchen Gebäuden die dreizehnte Etage oder in Passagierflugzeugen die dreizehnte Sitzreihe fehlt. Aus der Vollkommenheit der Zwölf ergibt sich der Fluch, der auf der Dreizehn lastet. Bei Dornröschen zum Beispiel ist die dreizehnte Fee Ursache des Unglücks. Die Vorstellung von der 13 als Unglückszahl ist hauptsächlich in den westlichen Gefilden verbreitet und hat verschiedene historische und kulturelle Ursprünge. In anderen Kulturen, wie dem Judentum und der Maya-Kultur, hat die 13 eine positive Bedeutung und wird als Glückszahl angesehen. Hebräisch bedeutet der Zahlenwert Dreizehn „Einheit“ und das jüdische Fest „Bar Mitzwa“ feiern die Juden an ihrem 13. Geburtstag. Und ist nicht auch Jesus die Nummer Dreizehn?

Die Quersumme von 13 ergibt 4 - somit wären wir wieder bei der weiblichen Symbolik. Die Quersumme von 12 ergibt wieder 3, entspricht also dem Göttlichen und somit männlichem Prinzip. Kurzum: Unser Kalender ist männlich – von Männern erdacht, für Männer gemacht. Und wo stehen wir damit? Regiert von Autokraten und Größenwahnsinnigen. Wo sind die Frauen an den Regierungsspitzen? Welches Geschlecht besitzt am meisten Geld und Macht? Die Frau wird nach wie vor in etlichen Teilen der Erde unterdrückt. Selbst in progressiven Ländern wie Deutschland verdient das weibliche Geschlecht in vielen Berufen immer noch weniger als der Mann für dieselbe Arbeit, und das, obwohl sie eine Woche im Monat unter erschwerten Bedingungen funktioniert.

Wie soll man, insbesondere Frau „back to the roots“ schreiten, wenn die Zeit an ihr vorbeiläuft, nicht im Einklang mit ihrer und vielleicht der Natur generell tickt? Das Leben auf der Erde wird zunehmend chaotischer, gefährlicher, seelenloser. Grundlegendes muss sich ändern. Einfach mal an der Uhr drehen? Allen Aberglauben über Bord werfen und nochmal neu anfangen? Diesmal mit Blick auf den Mond? Wäre es nicht schlicht und ergreifend wunderbar, jedes Jahr einen zusätzlichen Monat zu haben? Wir hätten einfach alle viel mehr Zeit 😉

Wer hat Angst vorm bösen Wolf?

Was der Mensch nicht zähmen kann, das macht ihm Angst – die will er sich natürlich nicht eingestehen. Da kommt ihm der Wolf als Projektionsfläche gerade recht.   

Das Bild von der zähnefletschenden Bestie, die angriffslustig unsere Schafe reißt und unsere Kinder zum Nachtisch verspeist, ist zurück in unseren Köpfen. Denn: Der Wolf leibhaftig ist wieder da.

Wer kann schon von sich behaupten, gänzlich unbeeinflusst von Rotkäppchen und den sieben Geißlein aufgewachsen zu sein? Die Gebrüder Grimm haben in ihren zwei weltbekannten Märchen an Grausamkeiten nicht gespart. Das hinterhältige, brutal tötende Raubtier ist präsenter als das Bild des loyalen und mitfühlenden Freundes, so wie es in dem Film Der mit dem Wolf tanzt gezeichnet wird.

Frei nach Schnauze bevölkern Wölfe Wälder, Gebirge und sogar Wüsten. Kein anderes Säugetier, der Mensch ausgeschlossen, ist stärker verbreitet als der Wolf. Im Gegensatz zu vielen Menschen ist der Wolf hingegen eher schüchtern – bekannt für seine ausgeprägt natürliche Scheu den Homo sapiens gegenüber. Wird er nicht provoziert, greift er auch nicht an. Wölfe sind Familientiere. Sie kümmern sich rührend um ihren Nachwuchs und bleiben einander lebenslang treu, was man von der Gattung Mensch nicht immer behaupten kann.

Laut einer Studie des Naturschutzbundes Nabu, gab es zwischen 2002 und 2020 in ganz Europa und Nordamerika 14 Fälle, in denen Menschen von Wölfen angegriffen wurden. Allerdings leben allein in Europa 751.413.867 Menschen. Die Wahrscheinlichkeit also, in Deutschland tödlich von einem Wolf verletzt zu werden, ist so hoch, wie von einem tollwütigen Eichhörnchen zu Boden gerissen zu werden. Alles kann zu einer Gefahr werden. Nonstop ist der Mensch gefährlichen Situationen ausgesetzt. Jeden Moment könnte ein Meteorit auf uns einstürzen, der Erdkern sich halbieren oder die Sonne explodieren. Abgesehen davon ereignen sich die meisten Unfälle zu Hause – drinnen, nicht draußen in freier Wildbahn. Dass mich beim Eindrehen einer Glühbirne ein Stromschlag von der Leiter katapultiert oder die Brotmaschine meinen Arm mit einem Baguette verwechselt – das alles sind mögliche Szenarien, die mich ganz ohne Wolf ins Jenseits befördern können.

Angst ist so alt wie die Menschheit selbst. Dann kam der Wolf. Der wurde so lange domestiziert, bis er vom Wachhund zum Schoßhündchen wurde. Da die Krone der Schöpfung zeitlebens damit beschäftigt war, sich selbst zu klassifizieren, hielt sie sich natürlich für prädestiniert, sich alle Geschöpfe der Erde untertan zu machen – da bildete der Wolf keine Ausnahme. Wegtrainiert wurde ihm sein wildes Wesen. Doch dank seiner gottgegebenen Beobachtungsgabe, durchschaute der Wolf das unnatürliche Anpassungsprogramm und zog sich weise wieder in die Wildnis zurück. Mit der Schmach des Versagens und einem Hauch von Unterlegenheitsgefühl dem selbstbewussten Wolf gegenüber begann der Mensch verzweifelt nach einem Ausweg zu suchen. Und er fand ihn: Schuld ist der Wolf. Sonst niemand.

Progressive Welt?

wahnsinnig schneller Fortschritt oder schnell fortschreitender Wahnsinn? 

In der Gondel über die Elbe schweben – wie schön. Zusammen mit einer VR-Brille, vielmehr durch diese, betrachtete ich Hamburgs Hafenlandschaft aus 200 Meter Höhe. Tatsächlich aber saß ich dabei auf dem Boden im Gras.

„Das ist doch nicht die Möglichkeit!“, hätte meine Oma gesagt, die schon vor 5 Jahren fassungslos und skeptisch das seltsam flache Ding namens Handy zittrig zu halten und verstehen versuchte.

Eine Voicemail senden kann jeder. Aber dass und wie es genau funktioniert ist fast so unvorstellbar wie die Tatsache, dass wir mitten im All schweben, uns auf derselben Erde alle gleichzeitig tagtäglich im Kreis drehen, und zwar buchstäblich und bildlich. Im Kleinen vernetzt, im Großen vergessend, was wirklich zählt.

Dieses Wir-sind-alle-miteinander-verbunden-und-allein-Zeitalter passt wunderbar zu Corona. Verbunden, weil die ganze Welt sich mit denselben Herausforderungen konfrontiert sieht. Allein, weil das Zusammensein plötzlich unsolidarisch ist und Abstand den neuen Anstand bedeutet. Das verbundene-Alleine-Sein breitet sich immer mehr aus, wie das Nichts in der Unendlichen Geschichte von Michael Ende. Nicht, weil es plötzlich Corona gibt. Doch, weil es nichts gibt, was es nicht immer schon gegeben hat. Weil sich die Geschichte immer wiederholt.

Vor allem mit der Frage: Ist die Welt überhaupt noch zu retten? Der Klimawandel, der republikanisch betrachtet zwar nicht existiert, zeigt sich seltsamerweise zunehmend drastischer. Schmelzende Pole, abfackelnde Wälder, verheerende Tsunamis. Alles nichts Neues. Nur schreit die Erde lauter! Jetzt mit einer Pandemie wie im Mittelalter. Maskenball auf der ganzen Welt. Leer gefegte Straßen, eine ungewohnte Stille. Eine bedeutungsvolle Stille, wie ich finde. Zumindest der Natur wird eine kleine Verschnaufpause gegönnt.

Und bringen Extremsituationen nicht immer auch das Beste sowie das Schlimmste im Menschen zum Vorschein? In Zeiten des Wahnsinns, in einer schon immer wahnsinnigen Welt, werden vor allem Ängste geweckt und es kommen Dinge ans Licht, die bis dato gerne verdrängt wurden. Jede Handlung impliziert stets eine Haltung. Bewahre ich Ruhe? Verfalle ich in Existenz-Ängste? Sehe ich Potenziale, die dieser Ausnahmezustand mit sich bringt? Eine Symbolik? Sehe ich Hoffnung und erkenne ich einen tieferen Sinn, der immer und überall mitschwingt und dazwischen steckt? Schwarz/weiß denken kann jeder. Umdenken, bunt denken ist aber gefragt.

Und weniger Denken. Wissen. Zurück zum Eigentlichen – der Intuition!  Alles wird dichter, bildlicher, klarer. Das Chaos hat eine ganz eigene Ordnung. Überall Spiegel. Aber schaut man hinein? Die Maske verdeckt nicht die Augen. Sie verdeckt den Mund. Sehen statt reden? Sehen mit der Seele, mit dem Herzen. So wie schon der kleine Prinz wusste und weise mitteilte: „Man sieht nur mit dem Herzen gut. Das Wesentliche ist für das Auge unsichtbar.“

Unsichtbar und dennoch wahr. Nicht greifbar aber omnipräsent. Wie das Virus. Hoffnung. Energie. Liebe. Wenn man vereint gegen etwas kämpfen kann, kann man auch vereint für etwas kämpfen. Allein kann immer auch ein AllEin sein. Und wofür lohnt es sich mehr zu kämpfen als für uns selbst? Für unsere Welt – die Erde? Sie ist verloren, wenn wir uns selbst nicht wiederfinden. Wir haben vergessen zu spüren, wer wir eigentlich sind. Sind primitiv geworden. Abgestumpft. Wir dröhnen uns mit geistlosem und oberflächlichem Müll zu. Tun alles, um uns von uns selbst abzulenken. Fortschritt geht anders.

Und so abgedroschen es klingt, so klar und wahr wird es immer wieder deutlich: Man kann nur etwas ändern, wenn man bei sich selbst beginnt. Wirklicher Fortschritt geht nur in Liebe und mit Vertrauen – zum Leben – für und mit der Natur – für und in sich selbst. Ist nicht das die eigentliche und größte Herausforderung? Und immer schon gewesen?

Bei all dem Wahnsinn, die Hoffnung und das Vertrauen nicht zu verlieren. Nicht panisch zu werden oder in Angst zu verfallen. Und wenn man sich verliert, den Zauber und die Magie wieder zu suchen – und zu finden. Im Licht der Abenddämmerung. In dem Lachen eines Kindes. Im Geruch des Regens. Die Wahrheit ist in uns, begegnet uns überall. In Büchern, Filmen, in der Musik.

So banal wie glasklar wiederholt sich alles.

So lange, bis wir da angekommen sind, wo wir angefangen haben und dem Leben wieder als Kind begegnen, mit Mut und offenem Herzen.

   

 
Sonja Schmidt